Für die 1903 geborene Emma Handrich, geb. Schalter, war die Goldene Konfirmation Anlass, zurückzublicken auf ihr Leben.
Rückblick über fünf Jahrzehnte
„Gestern waren es nach dem Datum – also am 2. April – 50 Jahre, dass wir konfirmiert wurden. Es ist gut, wenn wir einen kurzen Rückblick halten über unser Leben und die Geschehnisse im Allgemeinen in diesen fünf Jahrzehnten.
Als wir geboren wurden und unsere Kindheit verlebten, war eine friedliche Zeit, kein Hasten und Jagen wie heute. Wir spielten auf der Hauptstraße sogar Fanges und Steckels, Räubers, Ball und Klickers. Keine Autos rasten durch die Straßen, da sah man unter der Woche die Kuh- und Pferdefuhrwerke bedächtig daherfahren und sonntags ab und zu eine Kutsche, in denen Spazierfahrten unternommen wurden.
1910 in dem Jahr, da wir in die große Schule kamen, wurde das Lokalbähnchen von Dannstadt nach Meckenheim weiter geführt. Das war ein Erlebnis, Meckenheim war Bahnstation geworden. Damit war aber auch die Zeit der Postkutsche vorbei, die mehrmals am Tage von Rödersheim nach Haßloch zur Bahn fuhr und der Postillon sein „Trara, trara, die Post ist da“ ertönen ließ.
Diese friedliche, beschauliche Zeit dauerte aber nicht mehr lange. 1914 brach der große Weltkrieg aus und die meisten unserer Väter mussten ausziehen, das Vaterland zu verteidigen. Diese Tage vor der Mobilmachung werden mir unvergessen bleiben. Es war so still im Dorf, jeder sah so ernst drein und alle Hände regten sich, um die Ernte noch einzubringen, bevor der Vater oder Bruder zu den Waffen greifen musste. Und es kam so weit! Man glaubte und hoffte, der Krieg wäre bis Weihnachten vorüber, aber über vier Jahre dauerte dieses Ringen. Etliche Väter unserer goldenen Konfirmanden kamen nicht mehr zurück. Wir wollen ihnen in Liebe und Dankbarkeit gedenken.
1917 – schon drei Jahre Krieg. Im ersten Jahr kam Sieg auf Sieg, die Glocken läuteten und es war helle Begeisterung über das Vorrücken unserer Truppen. Aber eines Tages verstummte der Jubel, der Stellungskrieg begann, man wurde müde in der Heimat und an der Front. Auch die Glocken verstummten, sie wurden auch geopfert. – Und in diese Zeit fiel unsere Konfirmation. Nicht viele Väter und Paten konnten an diesem Tage Heimaturlaub bekommen und bei ihren Familien sein. Wenn sie da waren, stand doch die kleine Feier meistens schon wieder unter dem Schatten des Abschieds. Wie anders feierte man diesen Tag als heute. Unsere Generation lebte in einem Wandel der Zeiten.
1918 – Zusammenbruch und Ende des Völkerringens, unruhige Zeiten, Inflation, Kampf um die Existenz. Als man nach Jahren glaubte, dass es wieder aufwärts gehe im Lande, musste man erleben, dass es eine Herrschaft der Willkür war, die wiederum zu einem schrecklichen Kriege führte. Näheres darüber zu sagen möchte ich unterlassen, denn das ist uns allen noch zu gut in Erinnerung.
Viel Leid ist damals über uns gekommen, manche mussten Heimat und Besitz verlassen, andere verloren eins ihrer Lieben und die schrecklichen Bombenangriffe wird man nie vergessen. Nach diesem Kriege starb in der Gefangenschaft in Russland unser Mitkonfirmand Friedrich Guth, dessen wir gedenken wollen. Wenn wir heute noch ziemlich vollzählig diesen Tag begehen dürfen, müssen wir denken ‚In wie viel Not hat der gnädige Gott über uns Flügel gebreitet.‘
Wir wollen erfüllt sein von Dankbarkeit gegen unsern himmlischen Vater, dass er uns bis hierher so gnädig geführt hat, uns Freude geschenkt und Erfolg beschieden hat, dass er unsere Hilfe in Nöten war und im Leid uns Kraft gegeben, es zu ertragen.“
Redaktion: Friedrich Müller. Der Redetext von Emma Handrich, geb. Schalter, wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.