Jäger zu Pferd, Leibgardist Napoleon Bonapartes, Ritter der Ehrenlegion und eine Audienz bei Napoleon III.: Georg Friedrich Dürk (1788-1877) führte ein bewegtes Leben.
Wie so viele Söhne unserer Heimat kämpfte auch der gebürtige Meckenheimer unter der Trikolore als Soldat des Kaisers Napoleon in dessen Schlachten. 1806 wurde der 18jährige zum französischen Militär eingezogen und mit anderen militärpflichtigen jungen Männern nach Mainz aufgeboten. Dort nahmen französische Offiziere die Musterung der Rekruten im Freien auf Wiesen vor. Viele der Gemusterten kamen zur Marine, Dürk wurde als geeignet befunden, bei den „Chasseur à cheval“ (Jäger zu Pferd) eingereiht zu werden.
In den folgenden Jahren nahm er an verschiedenen Feldzügen Napoleons teil. Für seinen Kaiser kämpfte er in der blutigen Schlacht bei Saragossa in Spanien. Gerade mal 20 Mann seines Regiments überlebten damals. Dürk selbst wurde auf einer Patrouille durch zwei Bajonettstiche am Schenkel verwundet und kam daraufhin in ein Lazarett in Metz. Ungewiß ist deshalb auch, ob er am Feldzug nach Rußland teilnahm. Hier gehen die Überlieferungen der Nachkommen von Dürk auseinander.
Nach ihrer Genesung kamen die 20 aus Spanien zurückgekehrten Soldaten, zu denen auch Dürk gehörte, nach Paris in Garnsion zur Leibgarde Napoleons. Dürk, der sich durch besondere Tapferkeit hervorgetan hatte, wurde in die nächste Umgebung Napoleons abkommandiert. Er war einer der sieben Chasseurs, welche Napoleon 1814 nach Fontainebleau begleiteten, wo er in der Nacht die Übergabe von Paris und somit sein Ende als Kaiser der Franzosen erfuhr. In dieser schicksalsschweren Stunde stand der pfälzische Leibgardist zum letzten Mal Posten vor seinem Kaiser.
Am Morgen des 20. Juli 1814 trat die Leibgarde, unter ihnen Dürk, im Schloßhof von Fontainebleau an. Mit den Worten „Euer und Frankreichs Schicksal werde ich nie aus den Augen verlieren“ verabschiedete sich mit Tränen in den Augen Napoleon von seinen Soldaten. Bei Malmaison nahm er mit Handschlag Abschied von seiner Garde, also auch von seinem getreuen Georg Friedrich Dürk, den er, wie viele seiner Soldaten, persönlich kannte.
Marschall Lefèbre erteilte er noch den Auftrag, seine sieben Chasseurs für den Legionsorden zu notieren. Durch die folgenden geschichtlichen Umwälzungen wurde allerdings nicht mehr an sie gedacht. Nach acht Jahren Soldatenzeit kehrte Dürk in die Pfalz heim. Im benachbarten Hochdorf erwarb er für billiges Geld das Haus in der Hauptstraße 45. Zusammen mit seiner Frau betrieb er die Landwirtschaft. Die Erinnerung an das Erlebte und die versprochene Auszeichnung ließen ihn jedoch nicht los. 1867 reist er im Alter von 79 Jahren nach Paris, begleitet von einem Meckenheimer Bürger namens Goger, der sich nach Aufzeichnungen des Schauernheimer Lehrers Löckel (ein Nachfahre Dürks) auf Hochzeitsreise (ein seltenes Unterfangen in damaliger Zeit) begeben hatte.
Mehrmals reicht Dürk Bittgesuche an den Hof von Kaiser Napoleon III. ein, wird aber auch nach Vermittlung des Königlich-Bayrischen Gesandten (die Pfalz war damals bayrisch), Freiherr von Perglaß, nicht vorgelassen.
Nach einigen Tagen wird er beim Mittagsschläfchen von der Wirtin seines Gasthauses geweckt. Ein Hofdiener teilt ihm mit, dass die nachgesuchte Audienz beim Kaiser gewährt sei.
Im Vorzimmer des Schlosses wird er von Offizieren und Hofbeamten ausgefragt, alle seine Papiere überprüft. Die auf Gemälden im Zimmer dargestellten Generäle und andere Persönlichkeiten kann er dabei alle mit Namen benennen und mancherlei Geschichten über sie erzählen.
Bei der Audienz gibt sich Napoleon III. zunächst sehr herablassend, zeigt sich aber im Laufe des Gesprächs sehr vergnügt über die schlagfertigen Antworten und das unerschrockene Auftreten Dürks. Am Schluß der Audienz dekoriert er ihn eigenhändig mit dem Kreuz der Ehrenlegion und beschenkt ihn mit einer 1000-Franc-Note aus seiner Privatschatulle. Außerdem verspricht der Kaiser dem Pfälzer eine jährliche Rente von 1200 Franc aus der Kabinettskasse, die er tatsächlich auch bis zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 immer erhalten hat. Beim Verlassen des Schlosses präsentieren vor Dürk die kaiserlichen Palastwachen, was er zu Hause als die größte Ehre bezeichnete, die ihm jemals im Leben zuteil wurde.
Hochbeglückt reist Dürk in die Heimat zurück, wird von seinem Sohn Adam mit dem Pferdefuhrwerk am Bahnhof in Neustadt abgeholt. In Hochdorf wird ihm ein begeisterter Empfang bereitet und ein großes Familienfest gefeiert. Ab dieser Zeit wurde er in der Gemeinde achtungsvoll „Grand-père“ genannt.
Am 22. Dezember 1877 stirbt Dürk im gesegneten Alter von 90 Jahren. Ein Zeitungsartikel von damals schreibt: „Am ersten Weihnachtstag wurde der Alte mit großem Geleit unter Begleitung der vereinigten Kriegervereine Meckenheim und Hochdorf, sowie der Kriegervereine von Böhl, Ruppertsberg, einer Deputation von Mutterstadt und der ganzen Gemeinde von Hochdorf zu Grabe geleitet. Bei gesenkten Fahnen, unter Trommelwirbel und Böllersalven wurde er dem Schoße der Erde übergeben“. – Fast ein Staatsbegräbnis!
Text: Rainer Rausch (ain)
Der Verfasser ist Alois Krämer, Dorfchronist von Hochdorf-Assenheim, zu großem Dank für die Überlassung zahlreicher Informationen verpflichtet.