Glockenguss Meckenheim 1250

Guss der Jubiläumsglocke

„Heute muss die Glocke werden“, hieß es am Freitagabend wie bei Friedrich Schiller auf dem Platz neben dem Meckenheimer Rathaus.

Die Straßburger Glockengießerei André Voegele brachte schon am Morgen die vorgefertigte Glockenform mit. Mit viel Sand wurde sie für den Guss vorbereitet und „festgemauert in der Erde“. Am Sonntagnachmittag durfte sie zum ersten Mal in einem satten Ton E2 erklingen.

Der Glockenguss ist einer der Höhepunkte zur Feier des 1250-jährigen Bestehens des Orts. Das Festmauern, erläutert Birgit Müller, Glockensachverständige der Diözesen Speyer und Trier sowie der Evangelischen Kirchen der Pfalz und im Rheinland und Organisatorin des Gusses, ist nötig, damit die Form beim Einfüllen der 1100 Grad Celsius heißen Bronze, einer Legierung aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn, nicht beschädigt wird.

Die Form selbst besteht aus drei Teilen: dem Kern, der sogenannten „falschen Glocke“ aus Ton und dem „Mantel“. Für den Guss wird die „falsche Glocke“ entfernt, in den Hohlraum zwischen Kern und Mantel fließt das Metall. Die Krone zum Aufhängen der Glocke wird mitgegossen. Der Klöppel wird später geschmiedet und in dem Klangkörper befestigt.

Drei Monate haben die Vorarbeiten gedauert, darin eingerechnet die Feinarbeit Müllers. Sie hat aus dünnem Wachs das Wappen Meckenheims und 645 Buchstaben für Daten und Namen von Spendern ausgeschnitten und angeordnet. 8000 Euro sind an Spenden zusammengekommen.

Die vielen Neugierigen, die sich am Abend zum Glockenguss einfinden, sehen in einem großen Block mit Sand vor allem einen Metallzylinder. Darin werden in einem eigenen Metalltiegel mit Hilfe von 125 Litern Heizöl Bronzebrocken bei 1100 Grad Celsius zur „Glockenspeise“ geschmolzen. „Nur in der Hölle ist es heißer“, sagt Müller.

Das Öl wird entzündet. Eine schwarze Rauchwolke pufft aus dem Zylinder. Gunther Kästner von den Aktiven Meckenheimern trägt Teile aus Schillers „Glocke“ vor. Die Gießer legen Helme mit Visier, feuerfeste Kittel und Handschuhe an, die bis kurz unter die Achseln reichen. Mit einer langen Zange schieben sie Bronzebarren nach. Um 21 Uhr leuchtet die Flamme an den Rändern grün. Die Gießer wärmen die Kellen vor, machen zunächst einen Probeguss in Form eines Stabes. Ist er abgekühlt, wird er zerbrochen. Seine Kristallstruktur gibt Auskunft darüber, ob die „Glockenspeise“ die richtige Konsistenz hat.

Die Probe ist in Ordnung. Der Ofen wird ausgemacht. Der katholische Pfarrer Bernhard Braun und der protestantische Pfarrer Christian Mundt sprechen, wie es beim Gießen liturgischer Glocken der Brauch ist, ein Segensgebet und gemeinsam mit den Zuschauern das „Vater unser“. Der Deckel über der Glockenspeise wird abgehoben. Seine Unterseite ist rotglühend von der Hitze. Rot glühen auch die Gesichter der Gießer im Feuerschein.

Der Guss beginnt. „Eine Premiere in Meckenheim“, hat Bürgermeister Heiner Dopp betont. Doch wer weiß, ob nicht doch schon vor langer Zeit hier einmal eine Glocke entstanden ist? Schließlich gab es im Mittelalter „Wandergießer“, die neben allerlei anderem Gerät auch Glocken gossen. Heizöl stand ihnen damals nicht zur Verfügung, sie benötigten Fichtenholz und viel mehr Zeit als die heutigen Glockengießer. „Im Mittelalter“, erläutert Birgit Müller, „wurde eine ganze Woche Metall gekocht.“
Die letzte Schlacke wird abgeschöpft, dann tauchen die Gießer die Kellen in das flüssige Metall und lassen mit gleichmäßigen Bewegungen die heiße Bronze in den Gusskanal laufen, der zur Glockenform führt. Eine bläuliche Flamme zeigt an, wo die Gase aus der Form entweichen und abgefackelt werden. Gerade mal ein paar Minuten dauert es, und die Form ist voll. Sechs weitere kleine Glocken werden befüllt, die Tiegel sind leergeschöpft. Die große Runde stimmt nach altem Brauch ein Tedeum an: „Großer Gott, wir loben dich“. Die Gießer wischen sich den Schweiß von der Stirn. In die letzten Töne des Gotteslobs mischt sich Glockenklang vom protestantischen Kirchturm. Es ist 22 Uhr.

„Es war schon eine Tanzerei da oben“, sagt André Voegele, Chef der Glockengießerei, und stellt, auch das ist Tradition, seine Mitarbeiter vor: seinen Schwiegersohn Nicolas, der ihn seit zwölf Jahren unterstützt, und Dikran aus Syrien, der vor zwei Jahren zu ihm kam und früher in Aleppo eine kleine Gießerei geleitet hatte.
Bis Sonntagmittag kühlt die Glocke aus, dann geht der Prozess gleichsam rückwärts: der Sand wird entfernt, die Glocke um 14 Uhr mit Bagger und Schaufeln freigelegt, der Mantel abgeschlagen. Die Glocke wird umgelegt, der Kern entfernt, die Glocke grob gereinigt. 129 Kilo bringt sie auf die Waage. Auch die kleinen Glocken sind soweit. Die erste ersteigert für 800 Euro Arno Paulus, Vorsitzender der IG Blasmusik, für das Meckenheimer Blasorchester, über die fünf weiteren wird der Gemeinderat entscheiden.
Noch einmal wird es spannend, als Birgit Müller mit einer dicken Stimmgabel den Klang der Glocke prüft. Der Ton E2 stimmt, „die Glocke ist freigegeben.“ Das erste Mal zum Klingen bringen sie Pfarrer Christian Mundt und Bürgermeister Heiner Dopp. Noch einmal kehrt sie nach Straßburg zurück, um dort gereinigt zu werden, am 3.Oktober soll sie auf dem Friedhof eingeläutet werden.

Text: Hildegard Janssen-Müller
Fotos: KGP Visuelle Kommunikation GmbH

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